1. Verhandlungstag von #MoBleibt!

(ENGLISH below)

Einladung zur Prozessbegleitung

Am 28.07.2021 (Mittwoch) wird die erste Verhandlung der #MoBleibt! Klage
weitergeführt. Ihr seid herzlich zur solidarischen Prozessbegleitung eingeladen.

* Mittwoch 28.07.2021
* Verhandlungsbeginn 10:30 Uhr
* Vortreffen 10:00 vorm Gericht
* Arbeitsgericht Berlin
* Magdeburger Platz 1 (https://www.openstreetmap.org/way/35394678#map=18/52.50276/13.35948)
* Raum 241 (2. Etage)

 

Grundrechte von (Lohn-) Abhängigen dürfen im öffentlichen Dienst nicht noch weiter eingeschränkt werden!

 

Zusammenfassung

Am 11.11.2020 verdeutlichte sich während des 1. Verhandlungstags der 56. Kammer des Arbeitsgerichts, welche Konsequenzen das Vorgehen der Leitung der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) haben kann: Hätte die HU-Leitung mit ihrer Repression Erfolg, dann wäre nicht nur ein einzelner gewerkschaftlich aktiver Student betroffen, sondern sie würde generell engagierte Personen im öffentlichen Dienst und das Grundrecht auf Streik aller (Lohn-) Abhängigen zugunsten der Eigentumsrechte der Besitzenden einschränken!

Wer entscheidet: Beschäftigt oder nicht?

In der 1. Verhandlung versuchte der vorsitzende Richter die Gesamtheit der offenen Fragen einzuschränken. Zunächst ging es ihm darum, ob die Humboldt-Universität zu Berlin Mo bereits eingestellt hat. Unstrittig ist, dass Mo fachlich für die Stelle qualifiziert ist und deswegen eingestellt werden sollte. Bisher konnte die Leitung der HU nicht nachweisen, dass die Einstellungszusage, die Mo nach den Bewerbungsgesprächen von der Auswahlkomission erhalten hat, keine Zusage war. Zwar verweise die Leitung der HU auf Aussagen in Internetseiten der Personalabteilung [1] und in einem Rundschreiben [2]. Dort steht, dass endgültige “Zusagen in Personalangelegenheiten” nur durch die “Personalstelle” getroffen würden. Zum Einen seien diese Aussagen jedoch – besonders für Außenstehende – nicht konkret genug, denn es werden kaum Personen benannt. Zum Anderen hat die HU Leitung bisher nicht nachvollziehbar gemacht, dass das beschriebene Verfahren in der Regel an der gesamten Universität und im Speziellen bei der Einstellung von Mo eingehalten wurde. Wenn die Leitung der HU keine Nachweise bringt, dann spricht wenig dagegen, dass Mo seit März 2020 Beschäftigter der HU ist. Damit wäre Mo bereits aus der Probezeit und nun auch keine unbegründete Kündigung mehr möglich.

Was überwiegt: Eigentumsrecht oder Streikrecht?

Neben der eher verfahrenstechnischen und verwaltungrechtlichen Frage, ob und wie Mo bereits an der HU eingestellt wurde oder hätte gekündigt werden können, ist für einen demokratischen Diskurs problematischer, dass die HU Leitung vorgibt und daran festhält, eine Einstellung aufgrund von streikbegleitenden gewerkschaftlichen Aktivitäten ablehnen zu können. Mo hatte, wie andere beschäftigte Studierende auch, 2018 während des Streiks für einen neuen Tarifvertrag der studentischen Beschäftigten (TVstud) [3] Streikaufrufe mit wasserlöslicher Sprühkreide am Eigentum der HU angebracht.[4] Daraufhin hatte ein Staatsanwalt den Vorwurf der Sachbeschädigung erhoben. Staatsanwalt und Strafgericht stellten das Strafverfahren gegen Mo gegen Auflagen (Zahlung einer Geldsumme und Sozialstunden) ein. Es wurde also nicht geurteilt, ob Mo’s streikbegleitende Aktivitäten rechtmässig waren oder nicht. Immerhin folgte Mo dem auch an ihn gerichteten Aufruf der Gewerkschaften ver.di und GEW, sich am Streik zu beteiligen.[5] [6]

Wer spricht Recht Teil 1: Kein Urteil vom Amtsgericht Berlin?

Der Richter stellte fest, dass ein Arbeitsgericht (unter seinem Vorsitz) nicht über streikbegleitende Aktivitäten urteilen werde. Weder sei dies durch ihn zu klären, noch stünde es für ihn zur Frage. Trotzdem äußerte der Richter ausführlich seine Ansichten zum Verhältnis von Eigentumsrecht von Besitzenden und Streikrecht von (Lohn-) Abhängigen. Sichtlich aufgebracht führte der Richter seine Ansichten zu den Grenzen des Streikrechts gegenüber dem Eigentumsrecht mit verstörenden Vergleichen gegenüber Anwesenden und herablassenden Äußerungen über ein “Flashmob”-Urteil der Vorsitzenden des Bundesarbeitsgerichts (BAG) Ingrid Schmidt [7] aus. Das Urteil erklärte die streikbegleitenden “Flashmobs” der Gewerkschaft ver.di für rechtmässig.[8] Mit dem Urteil wurde das Eigentumsrecht zugunsten des Streiksrechts eingeschränkt. Die Entscheidung des BAG bestätigte die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts einstimmig.[9] Zur 3. Kammer gehört auch Richterin Doktorin Susanne Baer, welche HU-Professorin ist und Studiendekanin der Juristischen Fakultät und HU-Vizepräsidentin war [10][11]. Mehreren Prozessbegleiter*innen zufolge bezeichnete der Richter das Urteil des Bundesarbeitsgerichts unter der Vorsitzenden Ingrid Schmidt als “Bullshit”. Die beteiligten Richter*innen bezeichnete er als ihres Jurist*innen-Titels nicht wert.

Wer spricht Recht Teil 2: Verdacht auf Befangenheit!

Infolge dieser Herablassungen gab die Anwältin von Mo den Verdacht auf Befangenheit gegenüber dem vorsitzenden Richter zu Protokoll. Daraufhin wurde die Verhandlung beendet. Mo’s Anwältin reichte direkt im Anschluss an die Verhandlung die Begründung des Verdachts auf Befangenheit mit der Unterstützung solidarischer Prozessbeobachter*innen nach. Nun muss erst ein*e andere*r Richter*in entscheiden, ob der Vorsitzende befangen ist oder das Verfahren weiter führen kann. Eine zweite Verhandlung des Amtsgerichts Berlin sollte sich durch den Verdacht auf Befangenheit des vorsitzenden Richters und wegen der mangelnden Auskunftsfähigkeit der Rechtsabteilung der HU, also letzendlich wegen des Fernbleibens der Leitung der HU, auf Sommer 2021 verschieben.

Hintergrund: Das #MoBleibt! Verfahren

https://mobleibt.noblogs.org/basic-rights-at-universities/

Quellen

[1] “Informationen für Neueingestellte, Bewerberinnen und Bewerber, Tarifbeschäftigte”: https://www.personalabteilung.hu-berlin.de/de/themen-a-z/informationen-fuer-neueingestellte-bewerberinnen-und-bewerber-tarifbeschaeftigte-kein-beamtenverhaeltnis#1.3%20Einstellungszusage

[2] Rundschreiben “Zusagen in Personalangelegenheiten”: https://www.personalabteilung.hu-berlin.de/themen-a-z/arbeitsvertrag/zusagen-in-personalangelegenheiten-vph2018-1.pdf

[3] Tarifvertrag der studentischen Beschäftigten (TVstud): https://biwifo-bb.verdi.de/++file++5be4be19e58deb70cbf18108/download/TV%20Stud%20III_KAV_f%C3%BCr_FU_HTW_final_Unterschriftsfassung.pdf

[4] taz: “Nach Protest kein neuer Job” https://taz.de/Nach-Protest-kein-neuer-Job/!5696045/

[5] TVstud Berlin: “Warnstreikaufruf 23. bis 25. Januar 2018” https://tvstud.berlin/2018/01/warnstreikaufruf/

[6] ver.di: “Warnstreikaufruf 23. bis 25. Januar 2018”: https://biwifo-bb.verdi.de/betriebe-und-gruppen/studierende/++co++40927bcc-fb7d-11e7-a7e2-52540066e5a9

[7] Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts Ingrid Schmidt: https://www.bundesarbeitsgericht.de/dasgericht/praesidentin.html

[8] “Flashmob-Urteil”: BAG, Ur­teil vom 22.09.2009, 1 AZR 972/08 https://openjur.de/u/171938.html

[9] BVerfG, Beschluss vom 26. März 2014 – 1 BvR 3185/09: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2014/03/rk20140326_1bvr318509.html

[10] Professorin Doktorin Susanne Baer an der Humboldt-Universität zu Berlin: https://www.rewi.hu-berlin.de/de/lf/ls/bae/profdrbaer

[11] Richterin Doktorin Susanne Baer am Bundesverfassungsgericht: https://www.bundesverfassungsgericht.de/DE/Richter/Erster-Senat/BVRin-Prof-Dr-Baer/bvrin-prof-dr-baer_node.html


ENGLISH

Invitation to the trial support

On 28.07.2021 (Wednesday) the first hearing of the #MoBleibt! lawsuit
will be continued. You are invited to attend the trial in solidarity.

* Wednesday 28.07.2021
* Start of trial 10:30 a.m.
* Pre-meeting 10:00 in front of the court
* Labor Court Berlin
* Magdeburger Platz 1 (https://www.openstreetmap.org/way/35394678#map=18/52.50276/13.35948)
* Room 241 (2nd floor)

 

Basic rights of (wage) dependents must not be further restricted in the public sector!

Summary

On 11.11.2020, during the 1st day of hearings of the 56th chamber of the labor court, it became clear what consequences the actions of the management of the Humboldt University of Berlin (HU) can have: If the HU management would be successful with its repression, not only a single union-active student would be affected, but it would generally restrict actively engaged persons in the public service and the fundamental right to strike of all (wage) workers in favor of the property rights of the propertied classes!

Who decides: Employed or not?

In the 1st hearing, the presiding judge tried to limit the totality of the open questions. First, he was concerned with whether the Humboldt University of Berlin had already hired Mo. It is undisputed that Mo is professionally qualified for the position and should therefore be hired. So far, the HU management has not been able to prove that the hiring commitment Mo received from the selection committee after the interviews was not a commitment. It is noted that the management of HU refers to statements in internet pages of the personnel department [1] and in a circular letter [2]. There it is stated that final “commitments in personnel matters” would only be made by the “personnel department”. On the one hand, however, these statements are not concrete enough – especially for outsiders – because hardly any persons are named. On the other hand, the HU management has so far not made it comprehensible that the described procedure was generally followed throughout the university and in particular when Mo was hired. If HU management does not provide evidence, then there is little to suggest that Mo has been an employee of HU since March 2020. This would mean Mo would already be out of probation and now no unfounded termination would be possible.

Which prevails: Property rights or the right to strike?

In addition to the more procedural and administrative question of whether and how Mo was already hired or could have been terminated at HU, more problematic for a democratic discourse is that HU management pretends and maintains that it can refuse to hire him based on strike-related union activities. Mo, like other employed students, had posted strike calls with water-soluble spray chalk on HU property in 2018 during the strike for a new collective bargaining agreement for student employees (TVstud)[3] As a result, a prosecutor had brought charges of property damage. The public prosecutor and the criminal court discontinued the criminal proceedings against Mo against conditions (payment of a sum of money and community service). Thus, it was not judged whether Mo’s activities accompanying the strike were lawful or not. After all, Mo followed the call of the unions ver.di and GEW, which was also directed at him, to participate in the strike.”[5] [6]

Who speaks law Part 1: No verdict from the Berlin district court?

The judge states that a labor court (under his chairmanship) will not rule on this. Neither would this be clarified by him, nor would it be at issue for him. Nevertheless, the judge expressed in detail his views on the relationship between the property rights of those in possession and the right to strike of (wage) dependents. Visibly upset, the judge elaborated on his views on the limits of the right to strike vis-à-vis the right to property with disturbing comparisons to those present and condescending remarks about a “flash mob” ruling by the President of the Federal Labor Court (BAG) Ingrid Schmidt [7]. The ruling declared the strike-accompanying “flash mobs” of the trade union ver.di to be legal.[8] The ruling restricted the right to property in favor of the right to strike. The decision of the BAG was unanimously confirmed by the 3rd Chamber of the First Senate of the Federal Constitutional Court.[9] The 3rd Chamber also includes Judge Doctor Susanne Baer, who is a HU professor and was Dean of Studies of the Faculty of Law and HU Vice President [10][11]. According to several litigants, the judge described the ruling of the Federal Labor Court, presided over by Ingrid Schmidt, as “bullshit.” He described the judges involved as not worthy of their legal title.

Who speaks law part 2: Suspicion of bias!

As a result of this condescension, Mo’s lawyer put on record her suspicion of bias against the presiding judge. As a result, the hearing was terminated. Immediately after the hearing, Mo’s lawyer submitted the justification of the suspicion of bias with the support of the solidary trial observers. Now another judge has to decide whether the presiding judge is biased or whether he can continue the proceedings. A second hearing of the District Court of Berlin should be postponed until summer 2021 due to the suspicion of bias of the presiding judge and due to the lack of information of the legal department of the HU, so ultimately due to the absence of the management of the HU.

Background: The #MoBleibt! lawsuit

https://mobleibt.noblogs.org/grundrechte-an-hochschulen/

Quellen

[1] “Informationen für Neueingestellte, Bewerberinnen und Bewerber, Tarifbeschäftigte”: https://www.personalabteilung.hu-berlin.de/de/themen-a-z/informationen-fuer-neueingestellte-bewerberinnen-und-bewerber-tarifbeschaeftigte-kein-beamtenverhaeltnis#1.3%20Einstellungszusage

[2] Rundschreiben “Zusagen in Personalangelegenheiten”: https://www.personalabteilung.hu-berlin.de/themen-a-z/arbeitsvertrag/zusagen-in-personalangelegenheiten-vph2018-1.pdf

[3] Tarifvertrag der studentischen Beschäftigten (TVstud): https://biwifo-bb.verdi.de/++file++5be4be19e58deb70cbf18108/download/TV%20Stud%20III_KAV_f%C3%BCr_FU_HTW_final_Unterschriftsfassung.pdf

[4] taz: “Nach Protest kein neuer Job” https://taz.de/Nach-Protest-kein-neuer-Job/!5696045/

[5] TVstud Berlin: “Warnstreikaufruf 23. bis 25. Januar 2018” https://tvstud.berlin/2018/01/warnstreikaufruf/

[6] ver.di: “Warnstreikaufruf 23. bis 25. Januar 2018”: https://biwifo-bb.verdi.de/betriebe-und-gruppen/studierende/++co++40927bcc-fb7d-11e7-a7e2-52540066e5a9

[7] Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts Ingrid Schmidt: https://www.bundesarbeitsgericht.de/dasgericht/praesidentin.html

[8] “Flashmob-Urteil”: BAG, Ur­teil vom 22.09.2009, 1 AZR 972/08 https://openjur.de/u/171938.html

[9] BVerfG, Beschluss vom 26. März 2014 – 1 BvR 3185/09: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2014/03/rk20140326_1bvr318509.html

[10] Professorin Doktorin Susanne Baer an der Humboldt-Universität zu Berlin: https://www.rewi.hu-berlin.de/de/lf/ls/bae/profdrbaer

[11] Richterin Doktorin Susanne Baer am Bundesverfassungsgericht: https://www.bundesverfassungsgericht.de/DE/Richter/Erster-Senat/BVRin-Prof-Dr-Baer/bvrin-prof-dr-baer_node.html